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Den Blutzucker gemeinsam in den Griff bekommen

Diabetes als Familienaufgabe

von Helmut Achatz (Kommentare: 0) , Foto: ©Stramyk Igor - stock.adobe.com

Mittags Schweinsbraten, nachmittags Käsekuchen und abends Brotzeit – wer soll davon nicht krank werden? Das Essverhalten in der Familie spielt eine große Rolle beim Entstehen von Diabetes. Umgekehrt spielt die Familie auch eine große Rolle bei der Bewältigung der Krankheit.

Wer sich, wie ich, mit Betroffenen zusammensetzt, bekommt oft anrührende Geschichten zu hören – wie die von Sandra, ihrer Mutter Erika und Großmutter Anna sowie Sandras Stiefschwester Bianka. Was du daraus lernen kannst, will ich dir gern erzählen:

Kein Verständnis für ihr „Zipperlein“

„Des kann man doch ned essen“, grummelt der Münchner Oberbrandmeister Karl Stadlbauer und schiebt den Teller mit Gemüse zur Seite. „I bin doch koa Karnickel“, mault er, nimmt den Hut und schiebt ab in die nächste Wirtschaft. Seine Anna bleibt verdutzt sitzen – und setzt ihm nächstes Mal wieder einen Schweinsbraten mit Knödel vor statt eines Gemüseauflaufs. Es gibt weiter Hühnerfrikassee, Lüngerl mit Semmelknödel und ab und an Apfelstrudel oder Dampfnudeln mit Vanillesauce. Dumm nur, dass sie immer brav mitisst, obwohl sich bei ihr schon längst Diabetes angekündigt hat und sie ihren Speiseplan eigentlich darauf abstellen sollte. Ihr Mann ist allerdings noch aus altem Holz geschnitzt, ein richtiger Patriarch eben, der erwartet, dass alles nach seinem Willen läuft und der wenig Verständnis für das „Zipperlein“ seiner Anna aufbringt. Der Arzt hatte bei Anna Diabetes diagnostiziert und ihr eine Ernährungsumstellung angeraten, was ihn freilich nicht sonderlich interessiert. Annas Tochter Erika bestärkt die Mutter zwar, die Ernährung umzustellen, leider aber mit wenig Erfolg wegen Familienvorstand Karl.

Und wie sieht es heute aus?

Diese Szene spielte sich vor vielen Jahren ab, in der vermeintlich „guten alten Zeit“ – und wie sieht’s heute aus? Einige Männer blocken leider immer noch, wenn ihre Frauen darauf drängen, die Ernährung umzustellen, weil sie Diabetes haben. Zum Glück hatte es Annas Tochter Erika da besser als ihre Mutter. Auch sie litt seit ihren späten 60ern unter Altersdiabetes (Typ 2). Das Beispiel ihrer Mutter vor Augen, die alle Empfehlungen des Arztes überging und sogar gelegentlich wegen Unterzuckerung umgekippte, nimmt Erika das Problem ernst. Sie geht zur Ernährungsberatung, die die Krankenkasse übrigens zahlt.

Anderes Essverhalten gefragt

Erika lässt sich von der Diätassistentin genau aufschlüsseln, was sie essen darf und was nicht. „Ein anderes Essverhalten“, so der Tenor. „Jeden Tag ein bisschen Süßes, um die große Gier zu vermeiden, Kohlenhydrate meiden und regelmäßige Mahlzeiten, damit der Insulinspiegel fallen kann“, lautet die Empfehlung, daran können sich ihre Töchter Bianka und Sandra noch erinnern. Sie sind natürlich mit von der Partie, schließlich ist Ernährungsumstellung Sache der ganzen Familie.

Eine Umstellung gelingt nur dann, wenn alle mitziehen. Beide Töchter wissen vom Negativ-Beispiel der Großmutter, und dass es nichts hilft, sich allein auf eine andere Ernährungsweise einzustellen – die Familie muss schon mitspielen. Mit ihren Töchtern Bianka und Sandra hat Erika da mehr Glück als ihre Mutter mit ihrem Mann. Dank Ernährungsumstellung schafft Erika es, auf Medikamente zu verzichten.

Übergewicht oft ein Problem

Erikas Mann Richard ist bereits gestorben; Erika lebt mit ihrer Stieftochter Bianka in einem reinen Frauenhaushalt. Aber Richard hätte sicher, anders als Patriarch Karl, am gleichen Strang gezogen und seine Frau unterstützt. Für die beiden Frauen ist es selbstverständlich, sich an die Empfehlungen der Ernährungsberaterin zu halten. Erikas leibliche Tochter Sandra wohnt zwar mit ihrer Familie in einer anderen Stadt, bestärkt ihre Mutter aber ebenfalls, sich an die Vorgaben der Ernährungsberaterin zu halten. Und wenn sie Besuch von der Mutter erwartet, kommt deswegen auch keine Cremetorte auf den Kaffeetisch, sondern einen Vollkornkuchen mit wenig Zucker.

Erikas Hauptproblem ist vor allem ihr Übergewicht – bei einer Größe von 1,60 Meter bringt sie annähernd 90 Kilo auf die Waage. Das ist schlicht zu viel. Also geht es bei der Ernährungsumstellung auch um Gewichtsreduzierung. Die Diätassistentin – das könnte auch eine Ökotrophologin sein – rechnet Erika vor, wie viel Kalorien sie pro Tag essen darf, was es mit Broteinheiten auf sich hat und wie die Ernährungspyramide aufgebaut ist.

Im Grunde genommen gilt für Erika aber das Gleiche wie für dich und mich: Wichtig ist eine bewusste und ausgewogene Ernährung mit nicht zu vielen Kalorien, mäßig Fett, wenig Zucker, vielen Ballaststoffen, Vitaminen und Spurenelementen. Pommes und Curry-Wurst sind kontraproduktiv, ein Schweinsbraten mit Knödel und eine Cremetorte zum Kaffeekränzchen aber auch. Anders als für Menschen ohne Diabetes, gilt für Menschen mit Diabetes, sich genau über Kohlenhydrate und Zucker im Essen zu informieren. Dafür gibt es die Ernährungsschulung. Der Patient muss wissen, welche Lebensmittel besser sind, was gemieden werden sollte und was in welchen Portionen und wie oft oder wie selten gegessen werden darf.

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Wissen ist das eine, umsetzen das andere

Deshalb gilt:

  • Essen ist eben mehr als nur Nahrungsaufnahme, Essen ist ein gesellschaftlicher Faktor.
  • Die Familie und das familiäre Umfeld spielen eine wichtige Rolle; mit Diabetes im Alltag umzugehen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe.
  • Es fällt deutlich leichter, sich an die Vorgaben der Ernährungsberater zu halten, wenn die Familie mitspielt – und entsprechend mitisst.

Annas und Erikas Beispiel verdeutlichen das. Erika erzählt mir, dass es für ihre Mutter Anna nach dem Tod ihres Mannes Karl leichter war, sich an die Ernährungsvorgaben zu halten. Sie nahm ab und kippte auch nie mehr wegen Unterzuckerung um. Ein mitfühlender und kooperativer Ehemann hätte ihr das Leben mit Diabetes erleichtert.

Beim Einkaufen fängt es an

Klingt theoretisch ja alles vernünftig und nachvollziehbar, die Umsetzung ist und bleibt das Problem. Das geht nicht von heute auf morgen. Und zur Umstellung gehört bereits der Einkauf. Also Finger weg von Kohlenhydraten und allzu vielen Kalorien – und wenn schon Kohlenhydrate, dann eher ballaststoffreiche wie Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte. Fertigprodukte sind tabu, weil schwer einschätzbar ist, wie viel Kohlenhydrate und Zucker sie enthalten.
Apropos Zucker, in manchen Fertiggerichten würde niemand Zucker vermuten – und doch steckt eine ganze Menge davon. Zucker ist an sich nicht schlecht, es kommt eben auf die Menge an. Diabetiker können sich sogar ab und zu einen Riegel Schokolade erlauben, aber eben nicht zu viel davon. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dass Zucker nicht mehr als zehn Prozent der Kalorienaufnahme entsprechen sollte – das sind 30 bis 50 Gramm täglich oder etwa zehn bis 16 Stücke Würfelzucker. Die WHO meint allerdings, dass es mit 25 Gramm eher weniger sein sollte – und so viel steckt schon in einem Glas Cola.

Als erstes verzichtet Erika also auf den Löffel Zucker im Kaffee, dann werden Ketchup und andere Zuckerbomben verbannt. Wenn sie in den Supermarkt geht, studiert sie aufmerksam die Nährwerttabelle. Hört sich so einfach an, ist es aber nicht. Natürlich wirft Erika nicht nur einmal die guten Vorsätze über Bord und lässt sich verführen. Rückblickend meint ihre Tochter Sandra, dass es wohl ein steiniger und langer Weg war. Glücklicherweise spielten aber beide Töchter mit, so dass der Verzicht leichter fiel.

Soziales Umfeld spielt wichtige Rolle

Erika ist bereits Rentnerin, als bei ihr Diabetes diagnostiziert wird. Beruflicher Stress ist für sie somit kein Thema mehr. Die Familie unterstützt sie bei der Umstellung – ohne wäre es sicher deutlich schwerer geworden. Soziale Zwänge oder familiäre Konflikte sabotieren nicht selten eine Ernährungsumstellung. Stress im Job verführt zum kohlenhydratreichen Frustessen, woraus sich Diabetes entwickeln kann. Feste Regeln, befriedigende soziale Kontakte und mehr Bewegung können helfen, Diabetes zu vermeiden.

Je weniger Kilo, desto besser

Apropos Bewegung, es hat sich gezeigt, dass Bewegung bei Behandlung und Vermeidung von Diabetes hilft. Wer sich mehr bewegt, reduziert sein Diabetes-Risiko. Erika war in ihrer Jugend und auch später immer unterwegs – sie fuhr Ski, wanderte und ging schwimmen. Vielleicht hätte sie ohne so viel Sport auch schon früher Diabetes bekommen. Im Alter wurde Sport freilich immer mühsamer; die Wechseljahre machten ihr zu schaffen; und sie legte an Gewicht zu. Mit dem Tod ihres Mannes fehlte auch die Motivation dazu, weil die beiden bis dahin viel gemeinsam unternommen hatten. 


Wer kann, sollte sich so viel wie möglich bewegen. Denn, je weniger Kilo du auf die Waage bringst, desto besser wirst du mit Diabetes fertig oder kannst ihn sogar vermeiden. Die „Tour de Diabetes“ 2016 belegt den positiven Effekt von Bewegung. Wenn du es nicht allein schaffst, die Familie sich weigert, dann schließe dich einer Gruppe an. Dank E-Bike stehen sogar Ältere problemlos längere Touren durch. Also, Ausreden gelten nicht – für jedes Alter gibt es die passende Sportart.

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Helmut Achatz

"Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an …", nein falsch. Die Basis für ein gesundes und langes Leben fängt schon früher an - und genau das ist das Anliegen des frühen Ruheständlers Helmut Achatz, der so gar nicht ruhig sein will. Der Journalist beschäftigt sich in seinen Beiträgen mit genau diesen Themen und zeigt Wege für ein besseres Verständnis für Gesundheit und Medizin auf.

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