Angst vor der Rente?
Muss nicht sein
von Helmut Achatz (Kommentare: 0) , Foto: ©studiolaut/fotolia und freepik
Nennen wir dieses unbestimmte Gefühl ruhig beim Namen: Angst. Angst ist meist negativ besetzt, dabei ist sie das wohl wichtigste lebenserhaltende Gefühl. Ohne Angst hätte der Mensch nicht überlebt. Angst bewahrt dich vor Gefahren und lässt dich handeln. Angst treibt dich um, wenn du vor einer neuen Situation stehst. Und die Reaktion auf Angst sind Flucht, Kampf – oder Erstarren.
Ab jetzt im Paradies?
Angst lässt dein Herz schneller schlagen, lässt dich am ganzen Körper zittern und treibt dir den Schweiß aus den Poren. Aber Angst vor der Rente? Warum sollte jemand Angst davor haben? Mit der Rente fällt doch vieles ab, was dich bis dahin belastet hat: die tägliche Tretmühle, Ärger mit dem Chef. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als erwarte uns das Paradies. Nur noch zu dürfen, nichts mehr zu müssen – klingt doch toll.
Arbeit ist mehr als Tretmühle
Und doch, die Arbeit hat dir vieles gegeben, was du jetzt vermissen wirst. Da ist zum einen dein Titel. Chief Financial Officer, Key Account Manager, Ressortleiter – wer mal einen Titel besessen hat, tut sich schwer loszulassen, wenn er in Rente geht oder in Pension geschickt wird. „Ich war mal …“ zählt nicht mehr. Was war, das war.
Statusverlust ist aber nur ein Aspekt. Wenn dein Job dein Leben war, hast du vermutlich Angst, deine sozialen Kontakte zu verlieren. Deine Kollegen waren dir wichtig. Mit ihnen hast du mittags in der Kantine gegessen oder zur Blue Hour ein Bierchen gekippt. Mach dir nichts vor – das ist vorbei. Nur ganz wenige berufliche Kontakte lassen sich in die Rente hinüberretten. Klar, auch davor hast du Angst.

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Du bist dein eigener Chef
So ein bisschen Bammel hast du vermutlich auch davor, dass dir dein Rentnertag ohne feste Struktur zwischen den Fingern zerrinnt. Denn, es gibt künftig niemand mehr, der dir etwas aufträgt – keine festen Arbeitszeiten, keine Rituale, kein Zeitdruck. Was tun den ganzen lieben langen Tag? Du hast möglicherweise Angst vor der Langweile, die dich erwartet.
Die Angst vor der Rente ist aber noch weit komplexer. Denn dazu zählt schließlich auch die Angst vor dem finanziellen Abstieg: Das Rentenniveau liegt aktuell mit 48,2 Prozent deutlich unter deinem letzten Nettogehalt. Wenn du nicht zusätzlich vorgesorgt hast, wirst du deinen Gürtel enger schnallen müssen.
Wenn die Zipperlein kommen
Als ob das nicht schon reichen würde – zu möglichen finanziellen Einschränkungen kommen noch die gesundheitlichen. Wenn du in Rente gehst, spürst du meist schon die ersten Zipperlein. Der Blutdruck ist zu hoch, dein Arzt hat dir geraten, deinen Blutzucker zu senken, außerdem meint er, es könne nicht schaden, ein paar Kilo abzunehmen.
Zugegeben, das klingt vordergründig alles ziemlich beängstigend. Dennoch musst du dich vor dem Abschied aus dem Beruf nicht ängstigen. Die Rente bietet reizvolle Chancen. Es gehe darum, so Wolfgang Schiele, Coach für Menschen vor und im Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand, sich umzuprogrammieren, Position zu beziehen, etwas Neues anzufangen und das Alte hinter sich zu lassen.
Umprogrammieren und neuorientieren
Nur, dieses Umprogrammieren und Neuorientieren solltest du nicht bis zum Rentenbeginn hinauszögern. Dieses Projekt, oder nenne es Mission, fängt schon lange vor Rentenbeginn an. Ruheständler „können sich auf das besinnen, was wirklich zählt“, formuliert es Herb Stumpf, Autor des Buchs „Wenn das Wochenende 7 Tage hat“.
Keine Angst vor der Rente
Diesen Fragen kannst du nicht ausweichen, auch wenn sie dich ängstigen. Angst motiviert aber zum Handeln. Schlimm wäre es, wenn du in eine Schockstarre verfallen würdest. Gewinne deine Handlungskompetenz zurück und werde dir deiner Selbstwirksamkeit bewusst – du bist es dir wert.
Dazu ein paar Tipps vom Berufstrennungsmanagementcoach Schiele:
- Plane deinen Ruhestand rechtzeitig
Dazu gehört, alles zu notieren, was liegen geblieben ist oder zu kurz gekommen ist, denn „jeder Gedanke ist Baustein der zukünftigen Realität“ - Erkenne dich selbst
Frage dich, wer du wirklich bist und wer du noch sein willst. Lote deine Möglichkeiten aus und stecke dir Ziele - Sorge für Nachhaltigkeit
Den Keller aufräumen beschäftigt dich ein paar Tage, aber das füllt nicht die nächsten 20 Jahre aus. Suche dir eine langfristige Aufgabe, ein Ehrenamt vielleicht oder fange etwas Neues an - Programmiere dich selbst um
Gib dir eine neue Struktur – für deinen Tag, deine Woche, dein Jahr. Du bist jetzt dein eigener Chef. - Beziehe Position im Leben
Was war dir wichtig, was ist dir wichtig? Ziehe Bilanz über dein bisheriges Leben
Übrigens, beim Übergang hilft, gleich zu Rentenbeginn einen Schnitt zu machen und sich einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen, räumlich und zeitlich Abstand zu gewinnen. Wie wäre es denn mit dem Jakobsweg, der persönlichen Tour de France oder einer Deutschlanderkundung?
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